Waldpilze sammeln und essen – bedenkenloser Genuss oder gesundheitliches Risiko?

Waldpilze sammeln und essen – bedenkenloser Genuss oder gesundheitliches Risiko?

Wer kennt es nicht, die Pilzsaison im Herbst bricht an und Pilzliebhaber zieht es „in die Pilze“. Mit Körbchen und einem feinen Pilzmesser bewaffnet geht’s ab in den Wald.

Ein spannendes Unterfangen für die ganze Familie. Und welch Glücksgefühle, wenn man den ersten Steinpilz, einen Pfifferling oder einen Reizker gefunden hat. Pilze sind das leckere Power-Food schlecht hin und tragen in vielerlei Hinsicht zur Gesundheit bei.

Dem Sammelfieber, den knalle-vollen Körbchen und täglichem „Schwammerlpfanne“ müssen jedoch leider Grenzen gesetzt werden, denn die Veröffentlichungen des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) vermiesen den Spaß gehörig. Auch Jahrzehnte nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl (1986), der zur Freisetzung von großen Mengen radioaktiver Stoffe führte, überschreiten manche Wildpilze vielerorts die Grenzwerte des radioaktiven Isotops Cäsium-137 teilweise erheblich (Messdaten von 2022*)! Aber damit nicht genug. Einer kürzlich durchgeführten Studie zufolge gehen die radioaktiven Belastungen sogar bis zu zwei Dritteln auf Atomwaffenversuche, die in den Fünfzigerjahren oberirdisch durchgeführt wurden.

Lt. dem Forscher:innen-Team um den Radioökologen Georg Steinhauser von der Technischen Universität Wien werden die EU-Grenzwerte teilweise um das bis zu 25-Fache überschritten. Besonders betroffen ist u.a. Bayern (Aug. 2023; Steinhauser et al.**). 

Bei hohem Verzehr lagert sich das Cäsium-137 in den Muskeln ab und kann Genschäden und Krebserkrankungen verursachen.  


Warum sind gerade Waldpilze der Radioaktivität ausgesetzt? 

In Mitteleuropa ist für die Strahlenexposition nur noch das langlebige Cäsium-137 mit einer Halbwertszeit von ca. 30 Jahren von Bedeutung. Bei landwirtschaftlichen Produkten spielt Cäsium-137 keine Rolle mehr, da in Acker- oder Wiesenböden das Cäsium an Tonpartikel gebunden vorliegt und somit für die Pflanzen nicht mehr verfügbar ist. Im Wald hingegen ist Cäsium-137 in der Humusauflage des Waldbodens pflanzenverfügbar und kann so über die Wurzeln (vgl. Mykorrhiza weiter unten) in die Pflanzen, Pilze und folglich Tiere (inkl. Menschen) aufgenommen werden.

Symbol Radioaktivität


Welche Waldpilze sind besonders bedenklich? 

Wie stark eine Pilzart mit Cäsium-137 kontaminiert ist, hängt vom Gehalt in der Umgebung des Pilzgeflechts (Myzel) ab, als auch vom speziellen Anreicherungsvermögen der jeweiligen Pilzart.

Das BfS teilt Folgendes mit

Stark strahlen belastete Waldpilze sind unter anderem: 

  • Rotbraune Semmelstoppelpilz
  • Semmelstoppelpilz
  • Maronenröhrling
  • Trompetenpfifferling
  • Gemeine Rotfußröhrling 

Eher unbedenklich sei u.a.:

  • Blutende Waldchampignon
  • Safran-Riesenschirmling
  • Braunschuppige Riesenchampignon
  • Sternschuppige Riesenschirmling

 Die oben aufgezählten Pilzarten sind allesamt „Waldbodenpilze“ (vgl. Mykorrhiza). 

Entwarnung gilt für: 

  • „Holz basierte Waldpilze“, die auf Bäumen oder Totholz wachsen (z.B. Austernseitlinge, Stockschwämmchen; vgl. Saprobionten)
  • Zuchtpilze wie Champignons und Edelpilze wie Austernseitlinge, Kräuterseitlinge und Shiitake

 

Warum nehmen holz basierte Waldpilze und Zuchtpilze im Gegensatz zu Waldbodenpilzen kaum Schadstoffe auf? 

Dazu müssen wir uns zunächst die Lebensweisen der Speisepilze genauer ansehen: 

Mykorrhiza oder Saprobiont!

Die eine Lebensweise bildet Lebensgemeinschaften, also Symbiosen, sog. Mykorrhiza, mit den Wurzeln von Pflanzen (meist Bäumen). Zu den Mykorrhiza-Pilzen, die scheinbar direkt aus dem Boden sprießen, zählen u.a. die beliebten Steinpilze, Maronen, Pfifferlinge, Birkenpilze oder (unterirdisch) die Trüffeln. Ich nenne sie daher vereinfacht „Waldbodenpilze“. Diese Pilze (Ausnahme Trüffel) kann man nicht gezielt züchten, sondern sie wachsen dort, wo sich die Pilze und deren Partnerpflanzen unterirdisch gegenseitig finden. Das Cäsium-137 befindet sich in den Bodenschichten. Das Myzel interagiert hier mit dem freien Cäsium-137 und reichert sich damit an.

Da sich das Cäsium über die Jahre kontinuierlich immer tiefer in den Boden verlagert, nimmt die Kontamination bei Pilzen, die ein oberflächennahes Pilzgeflecht (Myzel) ausbilden, mit der Zeit ab. Bei Pilzarten mit einem tiefliegenden Myzel steigt die Kontamination dagegen an. Aufgrund des radioaktiven Zerfalls des Cäsiums und der weiteren Verlagerung in die Tiefe sollten die Werte in den nächsten Jahren stetig zurückgehen, außer eben bei solchen Pilzen, deren Myzel besonders tief in den Boden reicht. 

 

Die andere Lebensweise der Pilze fungiert als Zersetzter (Saprobionten) von organischer Masse wie Totholz und Laub. Wir finden auch saprobiontische Pilze im Wald oder in Parks z.B. auf sterbenden oder umgekippten Bäumen. Dazu zählen u.a. Austernseitlinge, Lungenseitlinge, Samtfussrüblinge oder Stockschwämmchen. Da das Pilzgeflecht hier im Holz verankert ist und gar nicht oder kaum mit dem Boden interagiert - wo der überwiegende Teil der bedenklichen Schadstoffe zur Verfügung steht - können folglich auch kaum bedenkliche Stoffe angereichert werden. Zwar hat man gezeigt, dass auch Bäume Radioaktivität akkumulieren, der Transfer aus dem Boden in das Holz von Bäumen ist dabei relativ gering, sodass im Mittel auch sehr marginal Cäsium-137 oder Strontium-90-Aktivitäten im Holz gemessen wurden. Holz aus Deutschland ist strahlenbiologisch für den Menschen unbedenklich. Holz basierte Waldpilze und Zuchtpilze, die sich auf Holz kultivieren lassen, somit auch.

 

Auf Stamm wachsender Samtfuss Pilz

 

Neben der Strahlenbelastung kommen noch mehr Gemeinheiten beim Mykorrhiza-Waldbodenpilz hinzu: 

  • Sie können sich auch mit giftigen Schwermetallen wie Blei, Quecksilber und Cadmium aus dem Boden anreichern.
  • Am Pilz-Fruchtkörper können Eier des Fuchsbandwurms haften - selbst wenn die Ansteckungsgefahr mit diesem Parasiten als gering eingestuft wird.

Wer selbst gesammelte Pilze in unüblichen Mengen verzehrt, setzt sich also den negativen gesundheitlichen Folgen aus. Die Belastung sei vergleichsweise gering, wenn wildwachsende Speisepilze in geringen Mengen konsumiert werden. So sollten selbst gesammelte Waldbodenpilze vielerorts also nur in Maßen verzehrt werden.

Unbedenkliche Mengen belaufen sich auf max. 200 - 250 Gramm pro Woche!

Das BfS, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung und das Umweltinstitut München empfehlen Risikogruppen wie Kindern und Schwangeren sogar Waldpilze aus dem Speiseplan gänzlich zu streichen und stattdessen auf unbelastete Zuchtpilze zurückgreifen.

Wenn wir uns für Zuchtpilze entscheiden, müssen wir unserem Pilz-Genuss keine Grenzen setzen und können bis zum Abwinken schlemmen!

Alle oben genannten heimischen, aber auch nicht heimische saprobiontische Pilze, lassen sich gezielt auf Holz und anderen Substraten kultivieren. Diese Edelpilze werden vereinzelt auch im Handel angeboten, aber du kannst auch selbst nachhelfen und deine eigenen Pilze züchten - direkt vor der Haustüre! 

Möchtest du wissen, wie das geht? Ich zeige es dir in einem meiner Workshops!


Hier einige Edelpilze (Zuchtpilze), die du komplett bedenken- und maßlos genießen kannst - und wenn du diese nicht im Wald sammeln möchtest, gibt es viele davon auch in meinem Shop. Dann musst du zum Pilze sammeln zukünftig nur noch in deinen Garten oder auf deinen Balkon.  

  • Austernseitlinge (Pleurotus ostreatus)
  • Lungenseitlinge (Pleurotus pulmonarius)
  • Limonenseitlinge (Pleurotus citrinopileatus)
  • Samtfussrüblinge (Flammulina velutipes)
  • Stockschwämmchen (Kuehneromyces mutabilis)
  • Shiitake (Lentinula edodes)
  • Nameko (Pholiota nameko)

 

 

Quellen:

* Bundesamt für Strahlenschutz: Bericht Radioaktive Kontamination von Speisepilzen (Stand: 2023, Messwerte 2020 bis 2022)

** Disproportionately High Contributions of 60 Year Old Weapons-137Cs Explain the Persistence of Radioactive Contamination in Bavarian Wild Boars (Georg Steinhauser et al.)

Feature Foto von Kilian Karger auf Unsplash

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